Dieses mit der Nadel gefilzte Wollbild ist irgendwann im Frühsommer entstanden, als ich im Auftrag einer Nachbarin 2 Wollbilder als Geschenk für die Eltern von neu in der Welt angekommenen Zwillingsbabys herstellte.
( Das zweite Bild ist meinem Fotografier-Eifer im fertigen Zustand leider entkommen, was mich nun nicht gerade freut, aber leider nicht mehr zu ändern ist…)
Zu fast allen meinen Bildern gibt es auch eine kleine Geschichte oder Anekdote, bzw. einige Gedankenfäden oder -gespinste, wobei wir schon beim Thema für dieses Bild heute wären:
„Schwarz und groß sitzt sie an der Wand. Dort in der Ecke, oben hinter dem Kleiderschrank. Ein Kribbeln steigt irgendwo von unten , von meinen Füßen, auf und läuft unangenehm entlang der Wirbelsäule nach oben , zum Hals. Ich schlucke trocken und hole das Glas, ein großes, das größteTrinkglas, das im Haus ist.
Was, wenn ich sie verfehle und sie danach in Panik gerät? Irgendwohin rennt, wo ich nicht an sie herankomme, oder, noch schlimmer: Auf mich fällt…!
Doch ich habe sie, gefangen, unter Glas.
Vorsichtig schiebe ich eine Postkarte an der Wand entlang, verschließe den Fluchtweg. Sie zappelt aufgeregt und ich versuche, nicht zu genau hinzusehen. Draußen, am Hang, entlasse ich sie in die Freiheit und hoffe, daß sie dort auch bleibt.
Die großen, dunklen Kellerspinnen – mit ihnen werde ich wohl nie gut Freund werden. Zu tiefe Ur-Ängste wecken sie in mir. Doch ihren kleinen Artgenossen gegenüber und sogar den Kreuzspinnen, die zur Zeit überall um unser Haus herum ihre Netze weben, hat sich meine Angst gelegt. Die Angst des Kindes von früher, das selbst Ohrenzwickern und Kellerasseln beim Ausmisten des Kaninchenstalls kaum ertragen konnte, die plötzlich und unberechenbar aus irgendwelchen Ritzen des Holzes hervorkrochen und scheinbar ziellos herumwuselten.
Das Kind, für das es undenkbar war, einen Regenwurm in die Hand zu nehmen und für das eine klebrige Nacktschnecke am Bein zum Trauma über Jahre hinweg wurde. Aber dieses Kind wurde erwachsen und diese erwachsene Frau hatte den Wunsch nach einem Garten, der sich tatsächlich irgendwann erfüllte. Auch da gab es wieder Nacktschnecken und viele davon. Und es begann ein Kampf um die Blumen, die in diesem Garten wachsen sollten, so wie ich, die ich natürlich diese Frau bin, das wollte…
Aber ich erkannte irgendwann, daß ich nicht mehr kämpfen wollte und lernte. Ich lernte, was Schnecken nicht fressen mögen und pflanzte dies. Es brauchte Geduld und Zeit, aber es blühte immer mehr und vielfältiger.
Im Komposthaufen dieses Gartens kamen bei der ersten Kompost“Ernte“ viele weiße Engerlinge zum Vorschein. Ich wußte nicht, von welchen Käfern sie die Kinder waren, ich wußte nur, daß sie mich ekelten. Bis meine Tochter sie entdeckte und behutsam auf ihre kleine Hand legte. Für sie waren sie so süß wie kleine, in Windeln gewickelte, Puppenbabys und nichts durfte ihnen geschehen. Und da schmolz tatsächlich ein großer Teil meines Ekels wie Eis in der Sonne dahin.
Überhaupt: Das Graben in der Erde veränderte so vieles. Es brachte die Würmer zum Vorschein, die darin arbeiteten und die Asseln und Spinnen. Und ganz unmerklich fast, verlor ich meine Angst vor all diesen kleinen Tieren. Neugierig wurde ich sogar auf sie. Und freudig, wenn ich ihre fliegenden Verwandten, die Bienen und Hummeln und Schmetterlinge um unsere Blüten fliegen sah.
Viel zu lernen gibt es über sie. Bei einem Wildbienen-Naturschutz-Einsatz vor kurzem wurde mir eine Biene gezeigt, die sich bereits zur Nachtruhe in „ihre“ Blüte begeben hatte (es war eine Zottelbiene). Natürlich ist dieses Verhalten wissenschaftlich begründbar und hat ganz bestimmte Vorteile für diese Art.
Und trotzdem blieb bei mir eine ganz tiefe und direkte Freude bei diesem Anblick zurück, die mit dem Verstand nichts zu tun hatte.
Schön wäre es, eines Tages auch den anfangs beschriebenen Kellerspinnen gegenüber immer mehr Interesse entgegenzubringen und somit den lähmenden Bann zu lockern. Denn das scheint mir doch oft der Schlüssel für die Angst vor dem Unbekannten zu sein.“
Ich grüße Euch ganz herzlich,
Eure
Frau Wollwesen.
P.S.: Wer sich für Wild- und Honigbienen interessiert, kann sich z.B. hier beim Naturschutzbund Deutschland über sie informieren.
Verlinkt mit Creadienstag.
Das ist aber sehr schön geschrieben! Und das Wollbild ist sehr gut gelungen! Ich habe schon nass gefilzt und auch mit der Nadel, aber an einem Bild aus Wolle habe ich mich noch nicht versucht. Werde ich aber wohl noch 🙂
Lieben Gruß
Gabi
Wenn Du Lust darauf hast, probiere es aus. Man kann beim Nadelfilzen so vieles wieder korrigieren und ausprobieren…
Lieber Gruß,
Helga
um uns herum brummt’s und summt’s – jedes verirrte bienchen wird sorgsam zurück in die freiheit gebracht (übrigens auch jede wespe, hornisse etc. )
ganz wunderbar, dein post !
lg anja
Schön, daß es bei Euch auch so viele Insekten gibt und Ihr sie wieder in die Freiheit zurück entlasst!
Ich grüße Dich,
Helga
So eine hübsche, flauschige Hummel!
Die ist dir wirklich gut gelungen!
LG, Kirstin
Vielen Dank an Dich,
Kirstin!
Frau gewöhnt sich an die kleinen Krabbeleien Spinnen befördere ich auch raus, allerdings wohnen in meiner Dachschräge ein paar, da komm ich nicht dran und ich hab mich mit dieser WG arrangiert. Sie stehen für Kreativität
Für Kreativität? Na, das könnte ja tatsächlich meine Neugier wecken!
Eine Kreativ-WG hast Du also bei Dir am Dach, meine wohnt in der Waschküche….
Liebe Grüße,
Helga